Unter Druck handlungsfähiger werden

Digital Insight

Ende des vergangenen Jahres stand das Thema „Digitales Forderungsmanagement“ und somit die Reaktion auf mögliche Zahlungsausfälle bei vielen Energieversorgungsunternehmen stark im Fokus.

Kurzer Rückblick: Weshalb gewann „Digitales Forderungsmanagement“ im vergangenen Jahr plötzlich eine so starke Aufmerksamkeit bei den Versorgungsunternehmen?

Die Energiekrise verursachte sowohl branchenübergreifend als auch im privaten Sektor Unsicherheiten und Sorge. Der Gesetzgeber reagierte daraufhin zum Beispiel mit der EnWG-Novelle auf diese Veränderungen und erhöhte damit insbesondere bei den Versorgern den Handlungsdruck.

Wie sah das Setting für diesen Handlungsdruck aus?

In der Vergangenheit lagen die Forderungsausfälle bei Versorgern bei etwa 1 Prozent. Im Herbst letzten Jahres warnte Creditreform [1] dann aber vor einem Anstieg der säumigen Zahler in der Energiebranche.Plötzlich war von Ausfallquoten im zweistelligen Prozentbereich die Rede. Eine klare Krisensituation. Dazu kommt, dass Zahlungen gewöhnlich erst nach der Leistungsabgabe durch den Versorger eingehen. Der Liquiditätsverlust macht sich folglich erst später bemerkbar. Die Unternehmen befanden sich in dieser Situation also in einer passiven Rolle – von einem aktiven Liquiditätsmanagement konnte keine Rede mehr sein.

Derzeit befinden wir uns im laufenden Abrechnungsjahr 2023. Die Situation eines drohenden Zahlungsausfalls hat sich entspannt. Können Versorger deshalb das Thema wieder auf die lange Bank schieben?

Von einer Entspannung der Situation in Form einer stagnierten Forderungskultur zu sprechen, wäre zu kurzfristig gedacht. Natürlich: Die EU hat reagiert und mit politischen Maßnahmen, wie einer Deckelung der Preise die Last abgefedert. Übrigens eine Maßnahme, deren Effizienz bis heute von Ökonomen und Branchenexperten kontrovers diskutiert wird. Wer jetzt deshalb aber die Hände in den Schoß legt, verkennt die latenten Risiken.

Ist es nicht beruhigend zu wissen, dass Regularien greifen, wenn es darauf ankommt?

Ja, das ist beruhigend. Doch wir alle haben auch erlebt, wie schnell sich die Bedingungen in einem Marktumfeld verändern können, das per se als ziemlich stabil galt. Doch plötzlich sahen sich Versorgungsunternehmen mit einem Zustand konfrontiert, der in anderen Branchen immer präsent ist. Deshalb darf und muss sich jeder Entscheider glasklar fragen: Welche Erkenntnisse haben wir aus dieser Drucksituation gewonnen, die wir jetzt anpacken und weiterdenken sollten, um uns für derartige Herausforderungen in der Zukunft besser zu wappnen?

Wie genau könnte ein Versorger diese Erfahrungen erfolgreich für sich nutzen?

Die Situation scheint entschärft. Jetzt geht es darum, die offenbarten Prozessmängel des Forderungsmanagements anzugehen. Einige wurden korrigiert; andere Störungen sind nach wie vor vakant. Dabei ist es wichtig, gerade jetzt angesichts derNovellierung des MsbG, EEG und ENWG aus den Erkenntnissen konkrete Maßnahmen abzuleiten.

Was könnte das zum Beispiel sein?

Zum Beispiel das bisher beschränkte Geschäftsmodell der dynamischen Tarife. Dank des beschleunigten Rollouts der intelligenten Messsysteme werden sie für Haushalte zukünftig interessant und relevanter. Daher sollen auch Versorger bis zum 01.01.2025 dynamischeTarife anbieten, um den gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen. Das ist eine echte Herausforderung, die sämtliche Prozesse (sowie auch die IT-Landschaft) innerhalb der Abwicklung betreffen – und damit auch das Forderungs-und Mahnwesen. Letztere gilt es dringend zu verbessern.

Welche Ansatzpunkte gibt es dabei zum Beispiel?

Die Zahlungsmoral steht bekanntlich in engem Zusammenhang mit der Bonität des Zahlers. Die Prüfprozesse dahinter müssen deshalb verbessert werden. Zugleich müssen Versorger aber auch die emotionale Bindung zu ihren Kunden stärken, damit sie nicht zu einem Wettbewerber abspringen. Eine Gratwanderung, ganz klar. Doch die Einführung eines dynamischen Tarifs gibt diesen Kunden die Chance, von flexibleren Tarifmodellen zu profitieren und dabei mögliche Verbesserungen beiden Prozessen im Mahnwesen zu etablieren. Auch Self-Service-Plattformen oder zeitgemäße Payment-Optionen können die internen Mahnprozesse entlasten – und übrigens auch die Personaldecke im Mahnwesen.

Und das geht nur mit einer passenden IT, die solche Prozesse spiegelt...

... und sich in eine bestehende IT-Landschaft implementieren lässt. Wichtig dabei: Bitte unbedingt auf integrierte IT-Systeme setzen, statt auf Insellösungen. Denn erstere haben eine Vielzahl von Vorteilen, wie zum Beispiel eine gute Skalierbarkeit und ausreichend Schnittstellen statt Systembrüchen.

Wie weit ist Künstliche Intelligenz bei diesem Thema?

KI-Algorithmen werden künftig sicherlich viel Unterstützung bieten können. Bis dahin helfen aber auch Tools wie Robotic Process Automation, die man mit einer Optical Character Recognition verbindet. So lassen sich Routineabläufe umbauen und neue Kapazitäten gewinnen. Das wird bei dynamischen Tarifen vor allem an der Schnittstelle zwischen Kundenplattform und Börsenplattform notwendig sein, damit Versorger immer den aktuellen Marktpreis für die Kundentarife abrufen können.

Welche Learnings hat QUANTIC Digital aus der Beraterpraxis abgeleitet?

Wir haben erkannt, dass wir weiter die Reaktionsfähigkeit und Beweglichkeit von Organisationen verbessern sollten. Denn in der Vergangenheit gab es Herausforderungen auf diesem Level nicht, sodass die Beweglichkeit und die Ressourcensituation der Versorger weniger entscheidend war. Für uns alle steht dahinter die große Frage: Wie anpassungsfähig und schnell muss ein Versorgungsunternehmen heute sein?

Leidet unter einer erhöhten Schnelligkeit nicht die Qualität der Prozesse?

Wenn die Prozesse stimmen, dann nicht. Das Problem ist eher: Unter Zeit- oder Marktdruck konzentrieren sich Organisationen ausschließlich auf die scheinbar betroffenen Kernprozesse in der IT. Aus meiner Sicht dürfen Sie hier deutlich größer denken und die gesamte Prozesslandschaft in den End-2-End-Blick nehmen. Wenn wir hier zu kurzfristig denken und mehr reagieren als agieren, verlieren wir den Blick für unser gesamte Umfeld und dessen Abhängigkeiten. Das gilt für jede Branche.

Wie kann QUANTIC Digital dabei unterstützen?

Wir legen den Fokus ganz stark auf den Auf- und Ausbau gut strukturierter Prozesse. Ein professionelles IT-Projektmanagement bezieht dabei alle Abteilungen ein und hilft Abläufe skalierbar zu gestalten. Zugleich verstecken sich in jeder Route auch anfängliche Effizienzverluste – diese machen wir transparent, um sie kurzfristig zu minimieren. Als Berater denken wir hier sehr offen und achten dabei auf die sinnvolle Standardisierung der Abläufe. Ein Rund-um-Begleitungspaket also, mit dem unsere Kunden ihre digitale Transformation schnell und spürbar voranbringen.

Die Anzahl der Herausforderungen wird also in der Zukunft nicht geringer. Wir stellen fest, dass wir mit einer neuen Geschwindigkeit und anderen Kausalitäten konfrontiert sind, die eine Anpassung unserer unternehmerischen Strategien notwendig machen.


[1]Vgl. Finanzbusiness

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